Zwischen gutem Ziel und unrealistischen Anforderungen: Heute geht es um das geplante EU-Lieferkettengesetz, auch bekannt als Lieferkettenverordnung oder Lieferkettengesetz oder ganz offiziell: Corporate Sustainability Due Diligence Directive – kurz: CSDDD. Die von der EU-Kommission vorgeschlagene und dem EU-Parlament angenommenen Richtline verfolgt das ehrgeizige Ziel, Unternehmen zur Achtung von Menschenrechten und Umweltstandards in globalen Wertschöpfungsketten zu verpflichten. Während die Richtlinie grundsätzlich ein Schritt in die richtige Richtung ist, ist ihre Umsetzung in der Praxis äußerst herausfordernd, um nicht zu sagen unmöglich.
Die geläufige Redewendung „Gut gemeint ist nicht immer gut gemacht“ fällt einem bei näherer Betrachtung des EU-Lieferkettengesetztes sofort ein. Dass eine Verpflichtung zur Achtung von Menschenrechten und Umweltstandards in globalen Wertschöpfungsketten verankert wird, dem wird niemand widersprechen. Dass es keinen Platz für Zwangs- oder Kinderarbeit geben darf, dem auch nicht. Doch es zeugt abermals von der Kurzsichtigkeit der EU-Behörden, dass Kontrolle und Exekution zur Einhaltung „sauberer“ Lieferketten auf die Unternehmer:innen abgewälzt werden sollen.
Innerhalb der Wertschöpfungsketten werden vor allem europäische KMUs von der (zeitlichen und finanziellen) Mehrbelastung durch dieses Gesetz betroffen sein. Die Art und Weise, wie die Verantwortung nun verlagert werden soll, ist befremdlich. Schon jetzt sind die Hürden durch Bürokratie eine enorme Belastung für unsere Betriebe. Derartige Regelwerke schaden dem Wirtschaftsstandort Europa und wenn Europa weiterhin wertschöpfende Arbeit haben will, braucht es funktionierende Lieferketten. Wir setzen uns dafür ein, dass bei diesem Gesetz tatsächlich die individuelle Situation eines Unternehmens berücksichtigt werden muss.
Herausforderungen bei Umsetzung des EU-Lieferkettengesetz
Insbesondere die weitreichende Definition des Begriffs „Wertschöpfungskette“ sorgt für massive Kritik. Es geht nicht nur um klassische Lieferanten, sondern um sämtliche geschäftliche Aktivitäten. Insbesondere um solche, die mit Handel, Vertrieb und Transport zu tun haben.
Schwierigkeiten bei der Umsetzung eines Dialogs mit Vertragspartnern: Ein zentraler Aspekt der Richtlinie ist die Verpflichtung der Unternehmen, einen Dialog mit allen Vertragspartnern zu führen. Dabei drängen sich sofort ein paar Frage auf. Muss ein Unternehmen tatsächlich den Lieferanten des Lieferanten des Lieferanten kennen? Wie soll ein Mittelständisches Unternehmen den verpflichtenden Dialog organisieren? Wer übernimmt die Kosten, die dem Unternehmen und seinen Dialogpartnern entstehen? Anstelle dieser Phantasmen, sollte der Fokus zum Machbaren hingelenkt werden und Unternehmen sollten in erster Linie im Vertragsverhältnis mit ihren direkten Lieferanten arbeiten.
Hohe Strafen für Verstöße als Belastung für kleine und mittlere Betriebe
Die Richtlinie sieht zudem extrem hohe Strafen für Verstöße vor, wie beispielsweise eine Geldbuße in Höhe von fünf Prozent des weltweiten Umsatzes und ein Verbot, an öffentlichen Ausschreibungen teilzunehmen. Dies wird unter anderem dazu führen, dass größere Unternehmen die Verpflichtung zur Dokumentation der Nachhaltigkeit an ihre Lieferanten weitergeben werden. Die Einhaltung der Vorschriften des EU-Lieferkettengesetzes würden dann auch Klein- und Mittelbetriebe treffen. Dies führt dazu, dass man vor allem kleine und mittlere Betriebe, das Rückgrat der österreichischen Wirtschaft, die das entsprechendes Berichtswesen z.B. aus Ressourcengründen nicht erfüllen können, einfach ersetzen wird.
Klare und erfüllbare Richtlinien und Hilfestellung für Unternehmen sind dringend erforderlich: Es besteht ein dringender Bedarf an Klarheit bezüglich der praktischen Umsetzung der Richtlinie. Zusätzlich brauchen Unternehmen konkrete Hilfestellung, um die Auflagen erfüllen zu können.
Benachteiligung europäischer Unternehmen vermeiden
Es ist ebenfalls wichtig, sicherzustellen, dass europäische Unternehmen durch die Verordnung nicht unverhältnismäßig benachteiligt werden. Insbesondere kleine und mittlere Unternehmen (KMUs) könnten Schwierigkeiten haben, die hohen Anforderungen und Kosten zu bewältigen. Es ist wichtig, dass bei der Umsetzung der Richtlinie die unterschiedlichen Ausgangssituationen und Kapazitäten der Unternehmen berücksichtigt werden.
Gerade die steirische Wirtschaft hat einen hohen Komplexitätsgrad, ist im Export äußerst erfolgreich und als Abnehmer und Lieferanten in globalen Lieferketten eingebunden. Daher ist eine praxistaugliche Ausgestaltung der Verordnung von ganz besonderer Bedeutung.
Fazit: Das geplante EU-Lieferkettengesetz verfolgt ein wichtiges Ziel , nämlich die Förderung von Menschenrechten und Umweltstandards in globalen Wertschöpfungsketten. Allerdings sind die Anforderungen und potenziellen negativen Auswirkungen auf Unternehmen nicht zu unterschätzen. Es ist entscheidend, dass die Richtlinie realistische und praktikable Lösungen bietet und Unternehmen dabei unterstützt, Verantwortung in ihren eigenen Lieferketten zu übernehmen, ohne dabei europäische Unternehmen unverhältnismäßig zu belasten.
Am Ende noch eine Leseempfehlung:
Kommentar Lieferkettenrichtlinie: Fatale Kettenreaktion von Andreas Gerstenmayer, CEO bei AT&S Austria Technologie und Systemtechnik AG, einem der weltweit führenden Hersteller von Verbindungstechnologien wie Leiterplatten. Erschienen in der Septemberausgabe des Pragmaticus.